19. Parlamentarierabend
Baustelle Inklusion - Wie sieht`s in Bremerhaven aus? Mit diesem Thema beschäftigten sich die mehr als 100 Gäste beim 19. Parlamentarierabend.
„Baustelle Inklusion – Wie sieht´s in Bremerhaven aus?“ – mit dieser Frage beschäftigten sich die Teilnehmer:innen des 19. Parlamentarierabends im Fischbahnhof. Mehr als 100 Gäste waren der Einladung der Lebenshilfe und der Albert-Schweitzer-Wohnen und Leben gGmbH (ASWuL) gefolgt, unter ihnen auch die Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann. Den Abend eröffnete die Gruppe „Alles nur Theater“ der Lebenshilfe mit einem lautstarken Auftritt und einem eindrücklichen Appell: Auf der Baustelle Inklusion gibt es viel zu tun – gemeinsam packen wir es an - so die Botschaft der Schauspieler:innen. Die Aufforderung nahmen die Gäste auf dem Podium gern an. Rüdiger Hillje (Vorstandvorsitzender der Lebenshilfe Bremerhaven) betonte, ebenso wie der Stadtrat für Menschen mit Behinderung, Uwe Parpart, dabei die Wichtigkeit des Parlamentarierabends in der Stadt Bremerhaven. „Bisher haben die Parlamentarierabende der Lebenshilfe nicht nur zum Nachdenken angeregt, sondern auch handfeste Ergebnisse gebracht, von denen seitens der Politik viele umgesetzt werden konnten“, so Parpart und Hillje ergänzt: „Nach drei Jahren Pause können wir endlich wieder in diesem Rahmen gemeinsam diskutieren und unsere Forderungen und Wünsche direkt an die Entscheider in der Stadt übergeben.“ Gemeinsam mit Helge Treiber (Geschäftsführer Albert-Schweitzer-Wohnen und Leben gGmbH) begrüßten Lidia Hahn (Werkstattrat der Lebenshilfe) und Yvonne Knoche (Bewohnerrat ASWuL) die Gäste und läuteten die erste Podiumsrunde der Expert:innen ein.
Der 19. Parlamentarierabend war unter dem Motto „Baustelle Inklusion“ in zwei Themenbereiche aufgeteilt. Zum Thema Arbeit komplettierten Gisela Tresch (Geschäftsführerin der Lebenshilfe), Alexander Kruse, (Agentur für Arbeit), Klaus Söntgerath (Sozialamt) und Jesse Dietzel (Werkstattrat) das Podium. Bei der kurzen Fragerunde betonten alle Teilnehmenden ihre Bereitschaft, zum Thema „Übergang aus den Werkstätten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt“ miteinander weiter intensiv im Gespräch zu bleiben. „Es ist die Aufgabe der Lebenshilfe die Beschäftigten der Werkstätten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Das ist uns wichtig. Wir haben derzeit 16 Werkstattbeschäftigte, die auf einem sogenannten ausgelagerten Arbeitsplatz tätig sind. Dort können sich die Mitarbeiter:innen zunächst erproben und die Arbeit in einem Betrieb auf dem ersten Arbeitsmarkt kennenlernen, bleiben aber weiterhin Mitarbeiter:innen der Lebenshilfe. Ein Projekt, das sehr gut angenommen wird“, so Gisela Tresch.
Mit der Frage: „Was muss konkret in Bremerhaven getan werden, um einen inklusiven Arbeitsmarkt zu schaffen, zu stärken bzw. aufrecht zu erhalten?“ startete dann die erste Fragerunde an alle Gäste. Es folgten angeregte Diskussionen an den Tischen, Ideen und Wünsche wurden formuliert und als Aufforderung an Politik, Arbeitgeber, Ämter und Lebenshilfe auf Moderationskarten festgehalten. „Tage der offenen Tür in Betrieben und der Lebenshilfe“, „Direkte Ansprache möglicher Arbeitgeber“, „Die Angst vor zu viel Bürokratie nehmen“, „Praktikumsplätze schaffen“ – so lauteten einige der Forderungen.
Während der Pause unterhielt die Theatergruppe erneut die Gäste und brachte Schlagworte wie „Barrierefreiheit“, „Mitgestalten“, „Bezahlbarer Wohnraum“ (auf große Umzugskartons geschrieben) direkt an die Tische.
Zum Thema Wohnen begrüßte Moderator Swen Awiszus Helge Treiber (ASWuL), Sieghard Lückehe (Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Stäwog in Bremerhaven), Lars Müller (Amt für Menschen mit Behinderung) und Christopher Duchow (Bewohnerrat) in der zweiten Podiumsrunde. Dabei betonten Sieghard Lückehe und Lars Müller die gute Zusammenarbeit beim Thema barrierefreies Bauen, erwähnten aber auch, dass es oft noch schwierig ist, ältere Wohnungen barrierefrei umzubauen. „Wenn neu gebaut wird, sollte das aber längst kein Thema mehr sein“, so Müller. „Ich würde mir wünschen, dass mehr Fragen zum barrierefreien Bauen an uns gestellt werden, bevor der erste Spatenstich oder ein Umbau erfolgen. Wir können immer helfen und gute Tipps geben“, so Müller. Dass die ASWuL in der Stäwog einen guten Partner gefunden hat, ist für Helge Treiber klar. „Wir wollen unseren Bewohnern die Möglichkeit geben, einen Wohnraum zu finden, der komplett auf ihre Wünsche und Bedürfnisse zugeschnitten ist. Insellösungen wie Wohnstätten in abgelegenen Ortsteilen sind längst nicht mehr zeitgemäß. Kleine Wohngruppen inmitten der Stadtteile, die ein Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung ermöglichen, sind die Zukunft. Wir kooperieren mit der Stäwog als Vermieter, um das immer mehr umzusetzen“, so Treiber.
Mit der Frage „Inklusives Wohnen und Leben – Was kann oder benötigt jede:r Einzelne, um ein nachbarschaftliches und inklusives Miteinander in unsere Stadt zu gestalten“ ging es in die zweite Diskussionsrunde an die Tische. Erneut wurden die Kernideen und Forderungen schriftlich formuliert. „Nachbarschaftsfeste zum gegenseitigen Kennenlernen“, „Gemeinsame Wohnprojekte von Studierenden und Menschen mit Behinderung“ und „Betreutes Wohnen in Kleingruppen“ gehörten zu den Wünschen. Zum Ende der Veranstaltung erhielten die Podiumsgäste die Forderungen zum Mitnehmen symbolisch in Schubkarren und Bauplänen „verpackt“.
Die Bremerhavener Firma Weserstage Veranstaltungstechnik hat nicht nur während der Veranstaltung das Geschehen im Saal live auf eine große Leinwand übertragen, sondern vom Parlamentarierabend auch einen Film gedreht. Er wird demnächst unter anderem auf der Homepage der Lebenshilfe zu sehen sein.
Text: Martina Löwner
Fotos: Ralf Masorat